Turbulences von Franziska Furter

 

Eröffnung: 14. November 2014, 6-9pm

Ausstellungsdauer: 15.11.14- 17.1.15

 

Franziska Furters aktuelle Einzelausstellung bei SCHLEICHER/LANGE beinhaltet drei Werkgruppen: Shapes und Spells sowie Turbulences und beschäftigt sich unter anderem mit dem Glück der Versenkung und der Suche nach der Linie.

Die Shapes sind kleinformatige Collagen. Sie bestehen aus jeweils zwei Blättern und zeigen filigrane Gräser, Zweige und Äste. Durch das sensible Kombinieren der vorhanden feinen Verzweigungen der Pflanzenteile beider Blätter entstehen verschiedene dynamische Linien und Schwünge, die im Raum zu schweben scheinen und gleichzeitig wirken als wären sie per Hand hineingezeichnet. Die Leichtigkeit dieser Papierarbeiten spiegelt sich in den Beinamen der Shapes wieder, die Namen von regionalen Winden tragen wie z.B. shape amihan oder shape gilavar.
Franziska Furter hat die Blätter an den Stellen verbunden, an denen sie zuvor Leerstellen geschaffen hat. Über diese Leerstelle, also dieses gewählte Auslassen oder Wegnehmen bestimmter Partien, schafft sie einen Möglichkeitsraum. Er lässt zu, dass sich die Verästelungen der Pflanzenteile zu diesem organisch-dynamischen Schwung vereinigen können und der Blick des Betrachters diesen anmutigen Linien nachschweifen kann.

Auf diese geschwungenen Linien trifft der Betrachter auch bei der Werkgruppe der Turbulences. Der Name der Arbeiten beschreibt etwas Wirbelndes, was seine Spuren auf der Oberfläche des Papiers hinterlassen hat, als hätte etwas Taumelndes das Papier sachte gestreift, eine einzelne Linie zurückgelassen und wäre dann weiter geweht, so leicht erscheinen die Zeichnungen auf seinem Untergrund. Präsentiert in einer Serie wirken diese Unikate mit ihren zarten Schwüngen wie Spielarten eines Themas ähnlich wie in der Musik, wie eine Partitur, die einen optischen Rhythmus erzeugt und eine Bewegung entwickelt, die in einem weiterklingen kann.
Mittels Tintentropfen und Seife, die sie auf eine Wasseroberfläche gibt, hat sie diese Konturen und Schwünge der Turbulences aufs Papier “gezeichnet”, eine Technik, die Furter bei ihrer Serie der Corona 2012 erstmals ausführte.

In den Spells überträgt sie die Linie in den dreidimensionalen Raum und erforscht das skulpturale der Zeichenlinie und inszeniert sie als spielerisches plastisches Objekt. Innerhalb von Furter's Oeuvre verweisen diese geometrischen Gebilde aus Messing-Quadratrohr auf frühere Arbeiten wie z.B. die Crystal Silence, die Islands oder auch das Mojo und entwickeln die dortigen Gedanken weiter. Bestehend aus Dreiecken und Vierecken wachsen sie fortwährend zu dieser Skulptur aus luftigem Volumen zusammen. Von jedem Blickwinkel aus präsentieren sie sich anders, da manche Linien beim Umrunden für das Auge des Betrachters durch andere überdeckt werden und verschwinden oder hervortreten. Die Skulpturen scheinen vor dem weißen Hintergrund des Galerieraums zu schweben, von unsichtbaren Kräften gehalten. Als hätte jemand die Zeit angehalten, während sie sich von der Decke hinabsenken.
Der Titel Spells verweist auf etwas Magisches, das Glück bringen oder schützen kann. Darauf deuten auch ihre Beinamen hin, die einer Recherche Furters über verschiedene Gottheiten und Fabelwesen aus unterschiedlichen Kontexten enstammen.

Die Versenkung des Betrachters ins Kunstwerk, die ihre Arbeiten anbieten, aber auch die Versenkung Furters in ihren vorangegangenen Arbeitsprozess ist in ihrem Werk stets von großer Bedeutung, wie der Prozess selbst. So stieß Franziska Furter während ihrer Recherche zu den neuen Arbeiten auf Fredrik Sjöbergs Buch “Die Fliegenfalle – Über das Glück der Versenkung”, in dem sie sich Formulierungen und Themengebiete gegenüber fand, die seit jeher ihre künstlerische Arbeit prägen und ausmachen: wie Versenkung und Geduld, Akribie und Subtilität, der konzentrierte Blick auf einen ausgewählten, präzisen Bereich sowie die Beobachtung und die Verfolgung dessen bis das Ergebnis stimmig ist.
Auch in ihren neuen Arbeiten zeigen sich die Grundanliegen von Franziska Furter. Die Künstlerin lotet, wie bereits bei vorangegangenen Werken, die Grenzen des Mediums Zeichnung aus, indem sie neue Wege und Mittel künstlerisch erforscht, dieses Genre zu interpretieren, die performative Dimension des Zeichnens nutzend.
Das Unikat gezeigt in der Serie ist wie ein Gedanke, der sich in seinen verschiedenen Facetten präsentiert wie z.B. bei den Shapes. Die Idee von etwas, die sich in ihren Werken manifestiert und materialisiert, ist wichtig, nicht das Abgeschlossene. So besitzt das Prozesshafte in ihrer Arbeitsweise einen hohen Stellenwert, wobei ihre Kunstwerke immer einer inneren Logik folgen, wie bei den Turbulences. Häufig besteht ein Kontrast zwischen Stärke und Fragilität: ein Dialog zwischen Gegensätzen, These und Antithese womit der Betrachter konfrontiert wird und sich selbst positionieren muss, etwa wie bei den Spells. Das Unsichbare ist eine bewusste Entscheidung des Auslassens von etwas - als Konzentration und Fokussierung auf das Wesentliche. Oftmals erwachsen aus diesem Leisen, Angedachten als Gegensätze zu unverrückbaren Doktrinen, die sie ablehnt, die poetischen Momente ihrer Arbeit.

Franziska Furter (*1972, Zürich, Schweiz) war in zahlreichen Ausstellungen vertreten, so hatte sie Einzelausstellungen im Kunstverein Arnsberg, im Palais de Tokyo (Module) in Paris, im Towner in Eastbourne, im Kunsthaus Baselland, im Kunstmuseum Thun sowie in Les Halles in Porrentruy . Außerdem war sie in Gruppenausstellungen im Drawing Room, London, Kunsthalle Palazzo, Liestal, Songeun Artspace, Seoul, Domaine de Chamarande – Centre d'art Contemporain, Chamarande, Kunsthaus Graz, der Henry Moore Foundation in Leeds, im Kunsthaus Aaarau, Fondation d'enterprise Ricard, Paris sowie im Kunstverein Freiburg vertreten.

Die aktuelle Einzelausstellung von Franziska Furter ist die fünfte bei SCHLEICHER/LANGE.